Kriegsende und Entnazifizierung

Das Kriegsende in Greifswald und die Rolle der Universität bzw. ihrer Angehörigen bei der kampflosen Übergabe der Stadt, gehört zu den am besten erforschten Segmenten der Greifswalder Universitätsgeschichte. In der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945 brach eine Gruppe von Parlamentären aus Greifswald in Richtung Anklam auf. Im Auftrag des Kampfkommandanten Oberst Rudolf Petershagen sollten sie den auf Greifswald vorrückenden Truppen der 2. Belorussischen Front die kampflose Übergabe der Stadt anbieten. Neben Oberst Max Otto Wurmbach und dem Rektor der Universität, Carl Engel, nahm auch der Direktor der Medizinischen Universitätsklinik  Gerhardt Katsch an dieser Fahrt teil. Die Mission endete erfolgreich. Eine Übergabevereinbarung wurde ausgehandelt und die Stadt erlebte das Kriegsende ohne nennenswerte Zerstörungen. Unmittelbar nach dem Einmarsch begannen die sowjetischen Soldaten jedoch mit systematischen Vergewaltigungen, unter anderem von Patientinnen und Krankenschwestern in den Kliniken.

Anders als an den meisten deutschen Universitäten wurde in Greifswald aufgrund der Übergabevereinbarungen auch nach der militärischen Besetzung der Unterricht fortgesetzt. Mitte Mai wurde der amtierende Rektor, Carl Engel, seines Amtes enthoben und wenig später verhaftet. Er starb im Lager Fünfeichen bei Neubrandenburg. Die Wahrnehmung seiner Aufgaben wurde dem politisch unbelasteten Theologen Ernst Lohmeyer, übertragen. Erst am 29. Mai wurde der Lehrbetrieb unterbrochen und am 30. Mai 1945 auf Befehl des Stabes der 2. Belorussischen Front eingestellt. Wenige Tage später wurden die meisten Seminare, Institute und Bibliotheken versiegelt. Bereits zuvor waren sie geplündert worden, jetzt entschieden Offiziere der Trophäenkommissionen und sowjetische Wissenschaftler, was von dem Übriggebliebenen in die Sowjetunion transportiert wurde. Die Kliniken setzten die Patientenversorgung für die Bevölkerung fort. Mecklenburg-Vorpommern wurde im Herbst und Winter 1945/46 mehrfach von Seuchen heimgesucht, so dass die Kompetenz der Ärzte benötigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt zählte der Lehrkörper der Universität de facto noch 162 Mitglieder. Etwa die Hälfte von ihnen hatte jedoch nicht die Absicht, aus der Kriegsgefangenschaft in die sowjetische Besatzungszone zurückzukehren.
Sehr bald nach dem Kriegsende liefen die Anstrengungen der Sowjetischen Militäradministration und der Abteilung Kultur und Volksbildung der zivilen Landesverwaltung in Schwerin auf eine umfassende Entnazifizierung der Hochschulen des Landes und zugleich deren baldige Wiedereröffnung hinaus.
Die Konzeptionen für die Struktur und Funktion der neu zu eröffnenden Landesuniversitäten waren bei der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands (SMAD) und den Landesbehörden durchaus unterschiedlich. Die Universität Greifswald hatte bereits im Mai 1945 Vorschläge im Sinne einer Erweiterung des Lehrangebotes durch Gründung einer Landwirtschaftlichen Fakultät und eines Osteuropa-Instituts unterbreitet. Die SMAD neigte dazu, nach erfolgter Entnazifizierung und Reformierung des Lehrprofils, insbesondere an den Philosophischen Fakultäten, die Hochschulen in alter Form wieder zu eröffnen. Selbst die Einrichtung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät wurde anfangs nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Verantwortlichen der zivilen Landesverwaltung diskutierten dagegen Pläne, die einer Amputation der Universitäten gleichkamen.
Einig war man sich, dass vor der Eröffnung eine Entnazifizierung durchgeführt werden müsse, die einen Elitenwechsel an den Hochschulen herbeiführen würde. Zu dem klaren personellen Schnitt, den man von ihr forderte, war die Universität unter den herrschenden Bedingungen aber nicht in der Lage, ohne ihren Existenzanspruch als Volluniversität aufzugeben. Sie geriet zunehmend in den Ruf subversiven Verhaltens oder gar der „Sabotage“. Opfer dieser Einschätzung wurde der damalige Rektor Ernst Lohmeyer, dem man vorwarf, während seiner aktiven Militärdienstzeit an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Am Vorabend der Wiedereröffnung wurde er durch die operative Gruppe des NKWD in Greifswald – wahrscheinlich nach der Denunziation durch den späteren Kurator der Universität – verhaftet und am 19. September 1946 in Greifswald hingerichtet. Lohmeyer wurde von den russischen Behörden rehabilitiert, weil das Verfahren nicht einmal den damals in der Sowjetunion gültigen Normen des Strafrechts entsprach.
Die Entnazifizierung in Greifswald hatte widersprüchliche Ergebnisse. Von den 162 Mitgliedern, aus denen der Lehrkörper der Universität im April 1945 bestanden hatte, waren im August desselben Jahres lediglich noch 84 anwesend. Ihre Zahl hatte sich durch Flucht, Verhaftungen und Suizide bereits erheblich verringert, bevor überhaupt mit der eigentlichen Entnazifizierung begonnen werden konnte. Eröffnet wurde die Universität am 15. Februar 1946 mit 37 Lehrkräften, einem Lehrkörper, der kaum ein Viertel seines einstigen Umfangs ausmachte. Bis zum Ende des Jahres war der Lehrkörper notdürftig ergänzt worden und zählte nun 69 Mitglieder. Seine Vorkriegsstärke sollte er, wenn auch mit ganz anderen Schwerpunkten, erst wieder im Herbstsemester 1949 erreichen. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät blieb allerdings geschlossen. Die vier verbliebenen Mitglieder setzten sich mit Ausnahme des Professors Anton Fleck in den Westen ab.
Bei der Wiedereröffnung im Februar 1946 war die Universität mit Ausnahme von Jander und Katsch, die das besondere Vertrauen der Besatzungsmacht genossen, frei von ehemaligen Nationalsozialisten. Im Januar 1949 waren wieder 18 ehemalige Nationalsozialisten im Dienst, was 17,2 Prozent des Lehrkörpers entsprach. In Greifswald hatte die Entnazifizierung damit ihren vorläufigen Abschluss gefunden.
48 ehemalige Nationalsozialisten aus dem Greifswalder Lehrkörper gelangten jedoch in Ost und West wieder in verantwortliche Positionen, zum Beispiel auf Lehrstühle an Universitäten oder als Chefärzte großer Krankenhäuser. Davon 34 in der Bundesrepublik und 14 in der DDR.
Das Thema des Wiedereinsatzes von ehemaligen Nationalsozialisten in der akademischen Lehre und Forschung in Greifswald nach 1945 gehört zur historischen Aufarbeitung, die noch geleistet werden muss.